Samstag, 24. Januar 2009
 
OAXACA Reprimida: Eine Bastion des indigenen Widerstands. PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Leo Gabriel   
Freitag, 20. Oktober 2006

Bisher war die Hauptstadt jenes mexikanischen Bundesstaates, der mit über 50 Prozent den höchsten Anteil an indigener Bevölkerung aufweist, vor allem wegen seiner farbenprächtigen Märkte, seiner kolonialen Kirchen und seiner zahlreichen bilingualen Schulen bekannt. Seit dem 22. Mai dieses Jahres aber, an dem 70 000 LehrerInnen auf die Strasse gingen, um ihren Forderungen nach der Ausspeisung ihrer Schüler und der Angleichung ihrer Löhne an das bundesweit übliche Niveau Nachdruck zu verleihen, war es mit der Idylle endgültig vorbei.

Seit diesem Tag nämlich ließ der Gouverneur von Oaxaca, Ulises Ruiz, ein enger Freund des gefürchteten Vorsitzenden der alteingesessenen Partido Revolucionario Institucional (PRI), Carlos Madrazo, die gesamte ihm zur Verfügung stehende Maschinerie der Sicherheitskräfte zum Gegenschlag ausholen. Das Fazit: 6 Tote und Hunderte von Verletzten.

Bereits im Vorfeld war es immer wieder zu Übergriffen der in paramilitärischen Einheiten zusammengeschlossenen Schlägertrupps gekommen, welche zusammen mit lokalen und regionalen Polizeieinheiten gegen ganze Dorfgemeinschaften vorgingen. Immer wieder wurden Bauern gefoltert und zum Verschwinden gebracht, Indígena-Frauen vergewaltigt und StudentInnen so lange verfolgt, bis sie es vorzogen in eine andere Stadt zu ziehen.

Ganz besonders hatte es Ulises Ruiz auf die Medien abgesehen. Unabhängige Radios wie Radio Huave im Isthmus von Tehuantepec und La Consentida in Matías Romero, die ihr Programm in Indianersprachen ausstrahlen sowie der Gewerkschaftssender Radio Plantón wurden von bewaffneten Banden ebenso heimgesucht wie die linksliberale Tageszeitung „Noticias“, deren Archiv mehrmals ausgeräumt und vernichtet wurde. In allen diesen Fällen wurden die Journalisten durch gezielte Anrufe mit dem Tode bedroht.

Alle diese Ereignisse spielten sich auf dem Hintergrund von politischen Entscheidungen ab, die den Bundesstaat Oaxaca im Rahmen des von internationalen Bankenkonsortien finanzierten Plan Puebla Panama (PPP) „entwickeln“ wollen. Denn auch für die mexikanische Regierung des Präsidenten Vicente Fox von der neokonservativen Partido de Accion Nacional (PAN) bot Oaxaca ideale Voraussetzungen für neoliberale Entwicklungsstrategien, die auf eine Ausbeutung des wirtschaftlichen und kulturellen Reichtums der Region abzielen und das indigene Kleinbauerntum vernichten.

In Oaxaca liegt der Isthmus von Tehuantepec, dem als schmalste Verbindungsstrecke Mexikos (220km) zwischen dem Pazifik und dem Golf von Mexiko als „trockener Kanal“ strategische Bedeutung zukommt. Eine Schnellstraße wird ausgebaut, die ansässige Bevölkerung abgesiedelt und so genannte „Maquilas“ (Fertigungsfabriken mit sehr schlechten Arbeitsbedingungen) errichtet, wodurch auch die Migration aus Zentralamerika nach Nordmexiko und den USA abgefangen werden soll.

Bereits in den achtziger Jahren wurden die einheimischen Fischer aus den Gebieten der „Bahías de Huatulco“, den Meeresbuchten an der Pazifikküste verdrängt, um dem internationalen Massentourismus Platz zu machen.

Oaxaca grenzt im Süden an Chiapas und im Norden an Guerrero, beides Bundesstaaten, mit denen Oaxaca Probleme wie die der Verarmung der überwiegenden Mehrzahl seiner ca. 3,5 Millionen Einwohner und die Militarisierung seiner auf den postkolonialen Grundbesitz aufgebauten Machtstrukturen (Cazicazgo) teilt. Obwohl in Oaxaca die indigenen Gemeinden bereits seit den Achtzigerjahren für die Umsetzung der durch das „Gesetz zur Wahrung des Gewohnheitsrechts“ (Ley de usos y costumbres) kämpfen, erregte dieser Kampf um lokale Autonomien bei weitem nicht die internationale Aufmerksamkeit, die Chiapas seit dem Aufstand der Zapatisten (EZLN - zapatistische nationale Befreiungsarmee) im Jänner 1994 zugekommen ist.

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